Mountain Attack 2015 (Saalbach, 16.01.2015)

Sagen wir der Einfachkeit halber nicht Rennen dazu. Besser ist der Begriff Alt-Herrenrunde. Diese Alt-Herrenrunde hat halt zufällig zeitlich und örtlich genau gleichzeitig wie die berühmt-berüchtigte Mountain-Attack stattgefunden.

Zu meiner jährlichen Standardausstattung (Touristen. Tourenskiausrüstung, Stirnlampe, Ersatzgewand für alle Fälle und Bier für jeden Berg) haben sich dieses Jahr die Herren Erhard und Jo hinzugesellt.

Der Herr Erhard, seines Zeichens Berufskollege, wusste von seinem Glück bereits seit November und hatte seine übermütige Zusage bereits vielfach bereut und verflucht. Der Herr Jo ließ sich vier Tage vor dem ominösen Event zum Mitmachen überreden und wußte bis dahin als Großarler Naturbursch von der Ski- und Partyszene aus Saalbach-Hinterglemm nur aus Erzählungen. Er gab mir am Vorabend die Zusage zu einem Start recht kurz und prägnant: „Grüssi, da ist der Jo. Stirnlampe, Felle und 3 Bier hätt i einpackt. Was brauch i no?“

So standen wir dann am Freitag eine Stunde vor dem Startschuss im Startbereich. Besser gesagt wir saßen. Mitten im Startbereich war ein Café, und da saßen wir drei vor der schwerwiegenden Entscheidung: Café oder gleich mal ein Bier. Wir versuchten noch vernünftig zu sein und starteten vorerst mit Café.

Fünf Minuten vor dem Start warfen wir uns flüssig gewärmt in die Menge der Rennanzüge und konnten den Startschuss schon gar nicht mehr erwarten. Voll mit Koffein – Startschuss – und los. Wir halt ein paar Minuten nach der Spitze, denn zuerst bewegte sich in der breiten Masse mal gar nichts und als sich alles endlich bewegte, vielmehr lief, setzten wir auch vorsichtig mal einen Schritt vor den anderen. Erhard, Jo und ich schlenderten unter tobendem Applaus durch die Fußgängerzone, als uns von hinten die Meute der Kurzstreckenattackierer überrollte.

Aber auch diese Gefahr überstanden wir unverletzt, erreichten endlich die Skipiste und schnallten entspannt unsere Ski an. Die nächsten Minuten pflügten wir durch die Masse der Atemlosen. Erhard und Jo waren ganz fasziniert von der Menge an Topathleten, und wir mitten unter ihnen. Jetzt hieß es aufpassen. Wir wollten ja einen gemeinsamen Ausflug machen und uns nicht sofort verlieren und auch nicht gleich zu schnell losplatteln. Wir wollten doch die nächsten 5,5 Stunden unseren Alt-Herrenausflug mit ein paar Bierchen und gschmeidigen Abfahrten zelebrieren.

Am ersten Steilhang spielten sich bereits Dramen ab, manche Topsportler rutschten übermütig die mühsam eroberten Höhenmeter gleich wieder am Bauch hinunter und versuchten verzweifelt Halt an anderen Athleten zu finden. Diese sprangen alle egoistisch zur Seite, ein faszinierendes Schauspiel. Wir marschierten konzentriert durch dieses erste Steilstück und kamen noch recht entspannt bis zum ersten Zuschauerpunkt bei der Mittelstation vom Schattberg.

Der Jo und ich als alte Radlfahrer begannen nun mit der ersten Phase der Nahrungsaufnahme, während Erhard noch keinen Hunger verspürte. Und kurz darauf konnten Jo und ich wieder mit vollen Energiespeichern plattln und gingen voller Vorfreude auf die erste Labestation ein wenig voraus, während Erhard auf seinen inneren Rhythmus horchte. Am Schattberg-Ostgipfel plünderten dann Jo und ich routiniert das Buffet und wunderten uns, dass Erhard nicht daher kam. Da bemerkten wir, dass sich dieser heimlich mit unserem Ungarn Peter bereits Richtung Westgipfel vorbeigeschummelt hatte.

Jetzt hieß es, Tempo machen: Die kurze Fellabfahrt im Schuss runter, Schuhe wieder lockern und mit Schwung auf den Westgipfel. Jo jammerte ein wenig, aber am Gipfel konnten wir die zwei dann noch rechtzeitig zum ersten Gipfelbier stellen.

Die Abfahrt war dann sensationell zu fahren, meine schmächtigen Schenkerl merkten aber schnell, dass die Abfahrtskilometer aufgrund der Schneesituation noch sehr bescheiden waren. Die Oberschenkel brannten wie die Hölle und so musste ich immer wieder stehen bleiben und die Beine ausschütteln. Mit leichtem Rückstand auf die anderen Herren erreichte ich dann das Tal und es wurden wieder die Felle montiert. Allerdings waren wir jetzt nur noch drei, Peter hatte sich für die kürzere Variante entschieden.

Der Zwölfer folgte, ein Anstieg des Grauens. Zumindest der obere Teil. Die Bedingungen waren nach wie vor gut und griffig und bis zur Mittelstation lief es fein. Vorbei an der Aprés-Ski-Bar, in der die Post abging, enterten wir den Steilhang. Jo bei mir und Erhard ein wenig hinter uns. Es wurde nun rutschig – knallharter Kunstschnee vom feinsten. Verzweifelt wehrten wir uns gegen den Absturz und kämpften uns immer weiter Richtung Gipfel. Jo stellte bereits fest, dass ein Absturz seinerseits eine sofortige Eroberung der Aprés-Ski-Bar und der dazugehörigen Getränke zur Folge haben wird. „Den Sch… geh i sicher kein zweites Mal rauf, wenn i da runterrutsch…“

Irgendwie schafften wir es dann, der Wind am Gipfel war inzwischen sehr ungemütlich. Der Gipfeltee war bereits verblasen, aber dank unserer Schaumrollen hatten wir die wichtigen Flüssigkeiten sicher im Griff. Jo und ich waren mit unserem Bierchen schon ziemlich fertig, als durch den Schneesturm folgendes zu hören war: „Stemberger, des zahl i dir heim! Verlass di drauf“. Erhard kam deutlich gezeichnet von dem zugegebener Maßen wirklich ungemütlichen Anstieg zur Bergstation, trank noch schnell den letzten Schluck Bier und setzte sich in die Gondel. „Mir reicht‘s!“

Jeder Überredungsversuch meinerseits wurde abgeblockt und da waren wir nur noch zwei. Jo und ich warfen uns in den berüchtigten Zwölfer-Nord. Schwarze Piste, Hinweistaferl: „Achtung, extrem vereist“ und dunkelste Finsternis konnten uns nicht abhalten. Jo ließ das Bremsen gleich bleiben und ich rutschte irgendwie im feinsten Wiener Stemmschwung hinterher. Dadurch, dass die Abfahrt so steil war, waren wir auch sehr schnell unten, schon wieder sturzfrei.

Jo hatte inzwischen auch schon seine Zweifel, ob ich immer die Wahrheit erzählte und traute meinen Worten nicht so ganz: „Der letzte Berg, überhaupt net steil, einfach nur ein langer Hatscher. Eher ein Familienwandertag“. Wir füllten uns noch mit allem Guten, was wir am Talbuffet einhamstern konnten und begannen unseren Spaziergang. Nach dem ersten kurzen steileren Hang wurde es flacher und Jo wurde immer mutiger und erhöhte das Tempo. So nebenbei betrachteten wir im Dunkeln die Konturen der Zwölfer-Nord. Jo: „Stempler, i sag’s dir ehrlich. So steil bergauf und so steil bergab war ich no nie unterwegs. Und schon gar net im Finstern auf Tourenski.“

Der Anstieg war nun wirklich gut, wir unterhielten uns prächtig, holten noch ein paar Rennanzüge ein und freuten uns schon auf das letzte Gipfelbier. Nur Jo schaffte nach dem langen Marsch auf den Gipfel noch eine sensationelle Steigerung:

Am Gipfel befindet sich eine Liftstation und Jo wollte im Licht der Station noch ein Bierfoto schießen. Da kam auf einmal der Liftwart heraus, grinste uns an und fragte: „Soll ich von euch a Foto machen? Ah, ihr habt’s a Bier dabei. Super Burschen, wollt’s auch a Schnapserl“. Und so standen wir kurz später mit Schnaps und Bier am Gipfel und hätte der Liftler uns a Platzerl angeboten, hätten wir wahrscheinlich das Flascherl ausgetrunken…

In der Abfahrt absolvierten wir noch eine natürliche publikumsfreie Pause des Wasserlassens und dann cruisten wir Helden der Tourenski in Zentrum von Saalbach und legten uns entspannt ins Finisher-Zelt. 5:36, gar net so schlecht mit der Vorbereitung und dem Spass!

Euer Luxusstemplh.

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