Wiiings for Life Run (St.Pölten – 04.Mai 2014)

Eigentlich war das alles nur ein großer Irrtum. Letztes Jahr im Herbst wurden die Veranstaltungsorte für den weltweiten Wiiings for Life Run kundgetan und da stand doch glatt, dass die Österreich Ausgabe in der Wachau stattfinden sollte. Perfekt, das konnte nur die klassische Wachaumarathon-Strecke sein also von Melk Richtung Krems und somit immer nur bergab. Das sollte mir als Laufschwergewicht doch zu Gute kommen. So funkte ich schnell den Skitouren-Methusalem Gert an, der ließ sich nicht lang bitten und meldete mir keine halbe Stunden später, dass er direkt neben dem Zielbereich bereits einen Stellplatz für seinen Wohnwagen gebucht hat.

Das ging mir alles auf einmal viel zu schnell: Denn plötzlich hieß das ganze nicht mehr Wachau sondern Traisental und sollte von St.Pölten Richtung Krems gehen. Als alten Radlfahrer war mir da klar, dass es entweder Schönwetter und Gegenwind (also klassischer Donautal Nord-West-Wind) gibt oder Schlechtwetter mit Rückenwind. Wer mich kennt, weiß nun, dass sicher am Samstag vor dem Lauf der berüchtigte Luxusstempl-Regentanz stattfindet.

Wie schaut nun so ein Wiiings for Life Run aus? Gelaufen wird auf Asphalt (schlecht) und es gibt keine fixe Ziellinie, die kommt leider auf vier Rädern von hinten. Das heißt entweder die permanente Angst im Nacken oder doch die baldige Erlösung. Den Zeitpunkt des Überrollens konnte man sich in etwa hochrechnen, allerdings hing da noch sehr viel von der Tagesform ab. Ich konnte aber schon grundsätzlich abschätzen, dass es durchaus der längste Lauf meines Lebens werden könnte, dass mich also dieses Verfolgungsauto unter Umständen überrollen könnte, während ich mich mit Krämpfen am Boden winde.

Das verursachte sogar bei mir Sportlerleiderfahrenem ein wenig Angst und so reicherte ich meine umfangreiche Vorbereitung (2*1h Laufen pro Woche) noch mit einem Trainingslager auf Kreta an. Dort simulierte ich das Verfolgungsauto mit streunenden Hunden, die ich in grausamen Tempointervallen zwischen den einzelnen Ortschaften verzweifelt abzuhängen versuchte.

Ich überlebte dieses Trainingslager ohne körperliche oder materielle Verluste und reiste nun bestens vorbereitet nach St.Pölten. Das Wetter war sonnig, kühl und recht windig, also hieß es für mich, eine Gruppe für den Windschatten zu finden.

Die Startphase war recht flott, an den Fersen des gnadenlosen Georg, der sonst öfters meine Mittagsschlafrunde mit Tempoläufen zerstörte, absolvierte ich die ersten 5 Kilometer in einem Tempo, dass ich normal nicht einmal mit dem Fahrrad durchhalte. Es war aber um mich eine nette Gruppe, die mich in ihrem Windschatten laufen ließ.

Bei Kilometer 5 kam die erste Verpflegstation. Nachdem das Startgeld kein Geschenk war, überkam mich die Lust, das noch unberührte Buffet zu plündern. Nur interessierte das ausser mir keinen. Somit war die Nahrungsaufnahme hektisch, fast schon unkontrolliert, um nicht zu weit hinter diese nette Gruppe zurückzufallen. Bei Kilometer 6 war ich mit hochrotem Kopf wieder dabei und versteckte mich wieder hinter den schmächtigen Herren vor dem Gegenwind. Wie wollen die so weit laufen ganz ohne Trinken und Essen? Da ist doch ein Krampf und ein Hungerast vorprogrammiert.

Kilometer 10, die nächste Verpflegstation, der einzige konsumgeile war wieder ich. Die Banane hing mir noch ein wenig aus dem Mund, da bekam ich plötzlich aufmunternde Zurufe und einen Becher in mit Wasser in die Hand gedrückt. Mein Vorstand, sehr nett, nur wußte er wahrscheinlich nicht, dass aktuell das größte Problem für mich war, durch einen vollen Bananenmund Luft zu holen. Pflichtbewußt füllte ich den Rest der Mundhöhle noch mit Elektrolyt und versuchte japsend irgendwie die Gruppe wieder zu erreichen und der Notaufnahme zu entkommen.

Kilometer 11, ich habe es wieder geschafft, das Tempo ist nach wie vor recht ansehnlich für meine dicken Beine und freudig träumte ich schon, wie die Hungerleider um mich bald aufgrund leerer Energiespeicher zusammenbrechen werden. Bei Kilometer 15 gab es abermals die übliche Zeremonie. Ich als erster des Tages am Buffet und bei Kilometer 16 wieder fett in der Gruppe.

Nur dann passierte es: Bei Kilometer 18 ging es immer wieder leicht bergauf, was die Topläufer meiner Gruppe zu Tempoverschärfungen ermutigte. Und da war ich plötzlich allein. Nicht ganz, Schmerzen machten sich breit, mein Knie zwickte und da tat ich mir plötzlich wieder furchtbar leid. Der Ehrgeiz trieb mich Richtung Herzogenburg, dort wartete der Kilometer 21, auch bekannt als Halbmarathon-Distanz und die wollte ich noch mit Anstand absolvieren. Ich verbiss mir den Schmerz und schleppte mich durch die Zuschauermassen im Zentrum von Herzogenburg.

Der Kilometer 21 inklusive Verpflegstelle lag glücklicherweise am Ortsrand. So bewunderte ich meine Halbmarathonzeit von 1:32 und ließ mich direkt neben dem Buffet in die Wiese plumpsen. Mitleidsvolle Mitstreiter beschossen mich sogleich mit Magnesiumpräparaten, dabei hatte ich gar keine Krämpfe. Einfach nur schmerzende Gelenke und ein Motivationstief. Nach Stunden des Dehnens schwang ich mich wieder auf und humpelte weiter.

Die folgenden Kilometer waren ein unseeliges Stop & Go, nur die Labestationen wurden weiterhin in Hochform geplündert. Ich war nun zwar nicht mehr der Ersttäter, inzwischen hatten die anderen auch schon etwas Durst und Hunger, dafür gab es jetzt bereits Bier. Das trieb mich vorerst bis Kilometer 30, meinem Minimalziel, und dann zum Austreten.

Ich wußte gar nicht, dass Austreten so entspannend sein kann, den plötzlich kam ich wieder voll in Fahrt. Nur leider etwas anderes auch noch. Das Catcher-Car war plötzlich da und riss mich aus meinen Träumen, das Feld nun von hinten aufzurollen. Kilometer 32,5 war erreicht und das Rennen war für mich genau am Fusse eines längeren Anstiegs kurz vor der nächsten Labestation zu Ende.

Was will man mehr, und direkt neben der Verpflegung standen sogar die Busse für den Rückshuttle – wer will da noch behaupten, dass ich nicht ein Glückskind bin, wenn auch nicht immer ein schlaues. Denn sonst würde ich mich nicht immer wieder zu solchen masochistischen Veranstaltungen anmelden, die mich die folgenden Tage noch ausführlich in meiner Beweglichkeit einschränken sollten….

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