Mountain Attack – Saalbach/Hinterglemm (11.Jänner 2013)

Die Zeiten des Sparens werden immer härter. Der Skitouren-Methusalem Gerd und ich fuhren für die diesjährige Mountain Attack ein immenses Sparprogramm und verzichteten auf so ziemlich alles. Unser Verzicht war die Einsparung jeglichen Trainings. So kamen wir fast vollkommen frei von Trainingshöhenmeter zu diesem Paradeevent der Skibergsteiger und Pistenwetzer. Mit knapp über 5000hm in den Beinen und gerade einmal 7 Skitouren kam ich so ausgeruht, allerdings auch so schwer (86kg) wie noch nie zu so einem wichtigen Wettkampf. Böse Zungen meinten in Anbetracht meiner körperlichen Werte, dass ich auf den Rucksack verzichten müsse, weil sonst die maximal zulässige Zuladung für meine Bindung überschritten wäre.

Gerd und ich ignorierten die neidischen Meldungen der ausgehungerten Topathleten und beluden den Rucksack so gut es ging mit überlebensnotwendigen Dingen:

- Das wären genau wie letztes Jahr eine komplette Ersatzgarnitur Gewand, damit wir uns akkurat kleiden können, falls wir doch aufgrund eines Hungerastes mal zwischendurch auf ein paar Germknöderl einkehren müssten.

- Natürlich ein zweites Paar Felle, denn der Abrieb bei unserem Gewicht ist nicht zu unterschätzen.

- Und ganz wichtig ist dann der Proviant: Riegel, Gels, Saft und Schaumrollen (im allgemeinen Sprachgebrauch als Dosenbier bekannt). Immerhin musste jeder Gipfelsieg gebührend gefeiert werden, es standen drei Gipfel am Programm.

Wenn jetzt irgend jemand denkt, warum die zwei Deppen Rucksäcke mitschleppen wie bei einer Alpenüberquerung, wo doch die Siegerzeit bei knapp über 2,5 Stunden liegt, dem sei gesagt, dass das zu absolvierende Pensum 40km und über 3000hm sind. Und dann solle er sich doch einfach vorstellen, dass er beim Wien-Marathon startet und in seiner gesamten Vorbereitung nur 7 Mal eine Stunde laufen war. Dann hat er ungefähr eine Vorstellung, wie weh so etwas tun könnte.

Und wie schafft man dann so etwas trotzdem? Mit viel Selbstüberschätzung, viel Proviant, viel Zeit und ein wenig Unterhaltung. So standen wir zwei also wieder einmal in Saalbach. Umgeben von der Frau Weltmeister Gigon und dem Jünger Klimo, besser bekannt als die schnellen Klimgonen. Das Rennen an sich ist ja schnell erzählt, denn normalerweise sind die, die sich schlecht vorbereiten auch schnell ausgeschieden bei einem derart fordernden Event: Nach dem ersten Berg (Schattberg Ost kombiniert mit dem Westgipfel und wieder hinab ins Tal) zur ersten Karenzzeit in Hinterglemm und dort ist dann Endstation. So waren zumindest die Unkenrufe.

Wir taten auch alles erdenkliche dafür, diese Prognosen zu erfüllen. Spazierten wie Touristen durch den Startbogen Richtung Piste, die wir auch erfolgreich nach 4 Minuten als allerletzte, aber auch mit dem niedrigsten Puls aller Teilnehmer erreichten. Das war der große Trick! Mit 180 Puls kommt man nicht so leicht in eine Skitourenbindung, mit 90 Puls umso leichter. So waren wir dann dank souveräner Anschnallperformance bei weitem nicht als letztes im ersten Anstieg. Herr Gerd fotografierte im Anstieg in aller Ruhe und ich bewunderte die Steigkünste unserer Mitstreiter. Wir wissen jetzt, dass Harscheisen verdammt rutschig sein können. Wir hatten unsere sicherheitshalber im Rucksack verstaut. Mit erhöhtem Ruhepuls schraubten wir uns dann dem Schattberg-Ostgipfel entgegen, inzwischen hat sich von vorne die weltmeisterliche Frau Gigon bei ihrer Skitouren-Rennpremiere zu uns gesellt. Der Herr Direktor traute unserem Tempo aber nicht so ganz und ließ sich routiniert etwas zurück fallen, um das ganze aus sicherer Ferne zu beobachten.

Am Schattberg-Ost-Gipfel ließ ich dann die Frau Gigon ziehen, um die Labestation ein wenig auszukosten. Mir blieb aber nicht viel Zeit, weil Gerd auch bald am Buffet zu plündern begann und mich so nebenbei ans Zeitlimit für Hinterglemm erinnerte. Auf den Fellen eierten wir dann hinunter in die Einstiegsschneise zum Schattberg West, den wir dann zügig erreichten und dort unsere erste Belohnung einlösten. Nachdem das erste Doserl Hopfentee inhaliert war, hatte der Routinier Gerd nun die Aufgabe, mich Wiener verletzungsfrei durch Dunkelheit, Schnee, Nebel und Wind nach Hinterglemm hinunter zu lotsen. Bis auf einen kleinen Überschlag meinerseits hat das alles auch problemfrei geklappt und so konnten wir mit 30 Minuten Vorsprung auf die Karenzzeit den gefürchteten Zwölferkogel in Angriff nehmen.

Die erste Hälfte war uns vom letzten Jahr noch wohl bekannt. Einem steilen Einstieg folgte ein flaches Zwischenstück, um dann kurz vor der Mittelstation nochmals alle unsere steigtechnischen Fertigkeiten zu fordern. Den oberen Teil hatten wir ein Jahr zuvor bereits mal im Training probiert. Das Finale kurz unter dem Gipfel brachte uns damals fast zum Weinen. Deshalb hatte der Herr Direktor sich damals wohlweislich beim Veranstalter erkundigt, ob es da nicht eine entspanntere Route für alte Herren Richtung Gipfel gäbe und der Veranstalter hatte das doch glatt bestätigt, allerdings ohne auf Details einzugehen.

So bogen wir mutig kurz vor dem Steilstück in eine flachere Piste, obwohl sich alle vor uns dem Steilhang entgegen warfen. So wirklich sicher, ob das der Weg zum Glück sein würde, waren wir uns nicht. Wir hatten aber noch genug Proviant dabei, so konnten wir das Experiment schon wagen. Es ging auf diesem unbekannten Schleichweg auch ganz gut dahin, nur irgendwie nicht Richtung Gipfel. Wir wurden immer ruhiger, die Piste immer unberührter, Nebel fiel ein. Umdrehen war kein Thema, lieber den anderen entgegen die Abfahrt hinaufgehen als nochmals zurück. Langsam wurde aber auch diese Route immer steiler und wenn wir das Licht abdrehten, konnten wir hoch oben ganz leicht Licht erkennen. Auf einmal war Leben rund um uns. Leider keine Skitourengeher sondern zahlreiche Pistenraupen. Das Gefühl war etwas mulmig, ich erhöhte zum Leidwesen vom Herrn Gerd das Tempo um dieser ungewissen Lage möglichst schnell zu entkommen. Und dann kam er doch noch, der Zwölfergipfel, endlich konnten wir die zweite Hülsenfrucht verzehren. Nur genießen konnten wir sie nicht, denn das Liftpersonal drängte uns zur Eile, das Pistenpräparieren sollte bald beginnen.

Gut eingehüllt schossen wir dann die Eisrinne hinunter Richtung Schlussberg zur Hochalm. Gerd fluchte ein wenig und fand wenig Gefallen an der eisigen Piste. Trotzdem kamen wir sicher hinunter und absolvierten die zweite Karenzzeit mit 15 Minuten Vorsprung. An der Labestation füllten wir unsere Speicher nochmals auf und gingen los zum Hasenauerköpfel. Auch das war uns bekannt, zu erst ein paar steilere Höhenmeter und dann gleichmäßig, aber ewig Richtung Finale. Gerd eröffnete den Schlussanstieg mit einem dezenten Oberkörperkrampf, das Heben der Arme fiel inzwischen auch mir nicht mehr übermäßig leicht. Jetzt waren wir doch schon vier Stunden am schweren Gerät, so viel Bewegung auf einmal hatte es schon sehr lange nicht mehr gegeben. Um die kommenden eineinhalb Stunden kurzweiliger zu gestalten, erzählten wir uns laufend Geschichten aus unserem früheren Skitourenleben. Irgendwann hatten wir dann sogar einen Kämpfer der Royal Dutch Navy eingeholt. Kurz waren wir ziemlich enttäuscht, da dürfte einer heimatbedingt noch weniger Höhenmeter trainiert haben als wir, weil wie soll der das denn in Holland. Dann lüftete er aber sein Geheimnis: Er war auf Bergausbildung seit längerem in Berchtesgarden stationiert und wusste daher schon, was ein Anstieg ist.

Auf der letzten befellten Zwischenabfahrt kugelten der Holländer und ich nochmals ein wenig im Schnee herum, um danach erfrischt durch den eingesammelten Neuschnee die letzten 100hm zu erklimmen und das beste der heutigen drei Gipfelbiere zu trinken. Auch ein Tscheche durfte dann von unserem Genußmittel noch ein wenig kosten, um dann mit uns gemeinsam die beleuchtete Skipiste bis ins Ortszentrum von Saalbach zu absolvieren. 5 Stunden 50 Minuten, gut Ding braucht einfach Weile. Nur leider dachte der Veranstalter nicht an die langsamsten. Um Punkt 22:00 (also 10 Minuten nach unserer Ankunft, als wir noch mit den Zielgetränken beschäftigt waren) war das Pastabuffet geschlossen frei nach dem Motto: “Die Armutschkerl dahinten san eh viel zu blad, denen schadet es eh nicht, wenns ein bisschen fasten!” Nur beim Umziehen im Appartment war die einhellige Meinung meiner Lieblingsskitourenkollegen: “Stemplhuba in Saalbach – die Figur hält!”

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