Kitzalpbike (30.Juni 2012)

Es gibt Menschen, die tun sich gerne weh. Gleich ordentlich, mit mächtigen Schmerzen, und das alles mit Ansage und Absicht. Ich gehöre scheinbar auch dazu. Nur, da ich eher wehleidig und feig bin, sollte man darauf schließen, dass ich ein wenig blöd, naiv und übermotiviert bin.

Der eine Harakiri, der kommt erst in den nächsten Tagen und heißt Bike-Transalp. Wobei, die Transalp an sich ist eigentlich gar nicht schlimm, das Verhältnis Strecke zu Körper und persönlichem Anspruch, das tut weh. Nachdem ich nach einigem Nachdenken mich dunkel erinnern konnte, dass meine Teilnahmen zwischen 2001 und 2004 nicht immer lustig waren, schon gar nicht mit Sumo, der normalerweise schon ein Lustiger ist, habe ich mir gedacht, dann sollte ich mich schon ein wenig an den Schmerz gewöhnen und habe mich beim Kitzalpbike angemeldet.

Die Herausforderung dieser Strecke sind die langen steilen Anstiege und technisch anspruchsvollen Abfahrten. Zwar ist das für den Herrn Lakata nicht wirklich eine Herausforderung, nur mir liegen lange, steile Berge fast so wie Geräteturnen, deswegen war ich auch vom Kinderturnen befreit.

Zur Gewöhnung an den Wahnsinn habe ich die Strecke Medium+ gewählt, nach Papierform eigentlich kein großer Kracher: 2300hm und 50km. Die Tage vor dem Rennen kristallisierte sich aber langsam heraus, dass die Schneefälle der letzten Wochen wohl ausbleiben würden und der Tag recht sonnig und warm werden könnte.

So stand ich dann am Samstag kurz vor 10:00 am Ende eines riesigen Starterfeldes und wusste bei dezenten 35°C im Schatten nicht mehr, ob ich meine Flasche gleich austrinken oder mir noch etwas für die Strecke aufheben sollte. Ein netter Mann der Firma Sponsor reichte ausgiebig Becher mit Iso, so konnte ich meine Flasche noch ein wenig schonen.

Mit dem Startschuss begann ein 8km langes Gehetze auf Tirols flacheren Straßen. Möglichst ökonomisch versuchte ich mich durch das Feld in den vorderen Bereich zu rollen, musste aber schnell erkennen, dass die Spitze bereits außer Sichtweite war. Somit ging es nur mehr um eine gute Position für die Einfahrt in den Berg, um nicht übermäßig viel Zeit beim unvermeidbaren Stau am Anfang des Anstiegs liegen zu lassen. Ganz zufrieden kam ich durch das Gedrängel und konnte mein Tempo recht bald auf Reisegeschwindigkeit erhöhen. Knapp unter der anaeroben Schwelle kurbelte ich mich den Berg hinauf, motiviert durch ein kühles Lüftchen und permanentes Überholen.

Zur Hälfte des Anstiegs wurde es dann steiler und auch hitziger, es begann das Leiden, unendlich viel Wasser tropfte aus meinem Kopf, mein Trikot war ein nasser Putzfetzen und die Hose gleich einer Badehose nach dem Tauchgang. Als es dann doch wieder flacher wurde, bog man unverhofft in den Schlusshang, ein mit Kuhmist übersätes Schiebestück zur Choralpe. Schieben war immer schon meine Leidenschaft, aber die Labestation vor Augen, quälte ich mich hinauf. Entspannt plünderte ich dort das Buffet, schnappte eine Flasche und hechelte dann über diverse knackige Schupfer zur Wiegalm.

Die Abfahrt von der Wiegalm war mir schon aus den 90er-Jahren bekannt, damals fuhr ich allerdings noch kein 29er und auch keine Scheibenbremsen. Das musste also um einiges entspannter laufen als früher. So war es auch, mit viel Spaß zog ich die Trails hinunter und kam flott ins Tal. Dort überraschte eine rasante Schotterstraße garniert mit Gatschlöchern.

Als man dann sich selbst und das Material ausreichend zugesaut hatte, wurde man mit einem kurzen Zwischenschupfer (100hm) belohnt. Der Schreck bei der Einfahrt in die kurze Rampe war allerdings groß. Meine Beine wollten nicht mehr, ein dezentes Krampfln setzte ein und ich musste meine Begleiter kurzfristig ziehen lassen. Trotz zweier Trinkflaschen, zweier Gels und einer ganzen Banane hatte die Hitze bereits Oberhand über meinen Körper gewonnen, und das nach nicht einmal zwei Stunden Fahrzeit.

Nach einer kurzen Gewöhnung ans Bergauftreten und einem verliebten Blick ins Kirchberger Freibad (ich wäre um ein Haar falsch abgebogen), ging es meinen Schenkerln wieder besser. Ich bediente mich noch intensiv bei der nächsten Labestation, dann ging es hinein in den zweiten und zugleich letzten Anstieg.

Die Hitze war inzwischen unerträglich. Ich ließ Flüssigkeit in mich hinein rinnen und aus mir rannte es sofort wieder heraus. Komplett undicht. Locker tretelte ich immer weiter nach oben, es zeichnete sich aber schon ab, dass bald meine Flasche leer sein würde. Ich spekulierte auf ein Bacherl, nur das kam nicht. Noch 400 Höhenmeter, Flasche leer, Kopf leer, Beine leer. Die Beine waren nicht ganz leer, sie begannen unkontrolliert zu zucken. Also stieg ich mal kurz aus dem Sattel und stellte mich ein wenig ins Abseits.

In dem Moment kam ein netter Mitstreiter vorbei, der mich auf einen Brunnen in ein paar hundert Metern hinwies. Euphorisch schoss ich dorthin und versenkte mich sicherheitshalber vollständig in dem kühlen Nass. Nur Trinkwasser war die erdige Brühe keines. Nach unterwürfigen Betteln überließen mir zwei Prinzessinnen ihr mühsam auf den Berg geschlepptes Wasser und ich wackelte glücklich weiter dem Himmel entgegen. Ein paar Brunnenbäder und Schiebeunterbrechungen später erreichte ich glücklich die Gipfellabe und konnte nach der Einnahme eines kleinen Menüs die erlösende Abfahrt in Angriff nehmen.

Es rollte ganz gut, die Höhenmeter wurden auf netten Pfaden schnell vernichtet, bis es in den Wald hineinging: Wurzeln ohne Ende, Gatsch in Hülle und Fülle, Bachdurchquerungen und kurze Gegenanstiege zwangen mich immer wieder zum Absteigen. Das wurde mit der Zeit ganz schön beschwerlich, denn das Ab- und Aufsteigen ließ sich bald nicht mehr ohne intensive Krämpfe absolvieren.

Nach so einer heimtückischen Krampfattacke, die meine Beine komplett außer Gefecht setzten, sank ich mit schmerzverzerrten Gesicht auf den Waldboden. Dort hoffte ich auf Entspannung, jegliche Bewegung provozierte einen neuen Krampf. Inzwischen hatte ich auch die Ameisen bemerkt, in deren Haufen ich mich platziert hatte. Es zwickte, es krampfelte, es war rundum idyllisch, ein gelungener Sonnentag.

Irgendwann wurde mir wieder bewusst, dass ich da an einem Rennen teilnahm und versuchte mich wieder weiter Richtung Tal zu schleppen. Die Wege wurden aber immer unwegsamer, rund um mich mehrten sich die Krampf- und Sturzopfer. Allerdings beschloss ich als einziger, mich auf einer romantischen Schotterstraße nochmals gemütlich in die Sonne zu legen. Der Streckenposten redete auf mich ein, wollte die Rettung holen und gab mir auch sonst noch viele gut gemeinte Tipps. Irgendwann wurde er mir dann zuviel und ich fuhr doch wieder weiter – diesmal bis ins Ziel und dort direkt zur Zielverpflegung. Nach über 4 Stunden in der Hitze hatte ich mir das Kuchenbuffet wohl redlich verdient.

Und was hat das ganze nun gebracht? Die Zeit war schwach, bergauf fühlte ich mich aber, solange ausreichend Flüssigkeit vorhanden war, ganz gut. Und außerdem kann mich nach diesem Fiasko auf der Transalp nichts mehr erschüttern. Somit war es eine gute Trainingseinheit und eine perfekte Vorbereitung auf den großen Schmerz…

 der Luxusstemplhuba

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Eine Antwort auf Kitzalpbike (30.Juni 2012)

  1. da sumo sagt:

    des wird supa mit uns zweien-die einen lassen sich auspeitschen -aber uns is des halt viel zu wenig intensiv-wir (radfahrer im körper von nilpferden) fahren halt die transalp.

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